MVJstories

MVJstories ist ein Blog, auf dem eine kleine Gruppe junger Schriftsteller Auszüge aus ihren Werken veröffentlicht. Feedback ist ausdrücklich erwünscht. Und nun viel Spaß beim lesen!

Mittwoch, 18. Juli 2012

Palmen putzen


Falz man einmal im alten Backsteinhaus arbeiten sollte, gibt es gewisse Aufgaben, die man unbedingt einmal gemacht haben sollte. Eine sehr schöne Aufgabe ist das Palmen putzen was mir vor kurzem aufgetragen wurde.
Zu Anfang habe ich mich gefragt, seit wann man denn Palmen putzen muss doch in dem Moment wo ich sie sah, stellte ich keine Fragen mehr. Auf den Blättern der normalerweise grünen pflanze, fand ich eine schöne circa einen Zentimeter dicke Staubschicht abgesehen von den Blättern die vertrocknet an den Seiten herunter hingen. Jetzt kam mir doch eine Frage auf: Da leben diese Fiecher ihre ganze Lebenszeit lang in der Erde und vertragen nicht mal ein bisschen Staub. Hm Schweinerei aber na gut. Ich tat wie mir geheißen und machte diese Palmen sauber. Dabei fing ich mit dem entfernen der vertrockneten Blätter an. Keine große Sache abgesehn davon, dass die Pflanzen anschließend Kahl waren. Dann kam ich zum abstauben jener kahlen pflanzen. Dieser Schritt begann mit der Suche nach einem Staubwedel. Das bedeutet: Streng genommen begann es mit dem Versuch die Blätter mit einem nassen Lappen abzuwischen. Aber das ist eine andere peinliche Geschichte.
Also gut ich suchte nach einem Staubwedel. Diesen fand ich… nicht. Nach einer gefühlten Stunde, besuchte ich jene Kollegin welche mir diese Aufgabe gegeben hatte und fragte sich nach einem solchen. Sie fing an zu lachen.
Nach 6 Minuten lachen, überlegte ich ob ich einen Krankenwagen rufen sollte, da ihr irgendwann in nächster Zeit die Luft ausgehen müsste.
Natürlich gab es keinen Staubwedel! Das war das alte Backsteinhaus! Alles was es gab war Gaffer.
Trotzdem fand ich nach einer Weile einen Handfeger mit welchem ich mich auf den weiten Weg zurück zu den Pälmchen begab.
Bei diesen angekommen, entfernte ich mit diesem neu entdeckten Werkzeug auch noch sämtliche anderen Blätter die sich an den Pflanzen befanden. Neben Kaugummis, Papier und kleineren Geldbeträgen, fand ich außerdem zwei umeinander geschlungene Gerippe. Muss die Logistik was übersehn haben als se das letzte mal rundum Reinigung gemacht haben. Wobei diese wohl auch schon zehn Jahre her sein könnte.
Wie auch immer. Ich schmiss Kaugummis und Papier in den Mülleimer. Das Geld ließ ich an den Palmen... ohne Blätter... Bei der nächsten Führung könnte ich erzählen, es seien die letzten noch lebenden Geldpalmen.
Dann ließ ich meine beiden neuen mageren Freunde allein.
Als ich mich zehn Minuten später auf den Nachhauseweg machte, hörte ich wie das Lachen einer Dame in erschrockenes Geschrei überging. Als hätte sie einen Geist gesehn…

Dienstag, 17. Juli 2012

5. Vater Und Sohn (15.10.2133)


Lady Marie


In den letzten Jahren waren um immer mehr Städte herum Mauern hochgezogen worden. Ein Grund dafür war das unkontrollierte Wachstum jener städtischen Gebiete, das man damit nun einzudämmen hoffte, da einige Kommunen sehr viel Wert auf ihre Übersichtlichkeit legten. Ein anderer Grund war jener, dass man alles Verbrechergesocks einfach aussiedeln konnte. Wer nicht in die Gemeinschaft passte, wurde fortgeschickt oder gar nicht erst hereingelassen. Durch dieses Vorgehen bildeten sich immer größere Slums um die Klein- und Großstädte herum. Besagte Orte wurden nicht zur Stadt gezählt und erhielten also keine Förderungen, polizeilichen Schutz, Versorgung, etc., aber einige Menschen aus den Slums arbeiteten schwarz in der Stadt, um Abends bei Torschluss in ihre selbst gebauten Hütten zurückzukehren, was die Dörfer vor der Stadt am Leben erhielt, genau wie der Schwarzhandel, organisiertes Verbrechen und andere dem Vergnügen dienliche Gesellschaftssparten.
Auch diese Slum-Entwicklung hatte man zu unterbinden versucht. Das Land, auf dem jemand wohnte, musste rechtmäßig erstanden werden. Man konnte doch nicht einfach irgendwo wohnen, wo es einem passte, nur weil man sich die Miete in der Stadt selbst nicht leisten konnte! Aber die Menschen waren erfinderisch und vor allem zahlreich. Man hatte die Vorstadt-Bildung nicht verhindern können. Sie setzte sich unentwegt fort und sorgte für Beunruhigung innerhalb der städtischen Bevölkerung. Wie hartnäckig diese Menschen waren! Man schickte sie fort, aber sie kehrten wieder zurück wie Ratten.
Überall um mich her sah ich Kinder. In den Slums gab es viele Kinder. Anders als in der Stadt. Wer Geld hatte, brauchte keine Kinder mehr. Kinder nahmen nur Platz weg, es reichte, wenn jeder, der eines wollte, eines hatte. Solange es dabei blieb, gab es auch genügend Leute, die sich um die Gören kümmern konnten. Soweit die Meinung innerhalb der Stadtmauern (Die Regierung sah das alles etwas anders. Man kämpfte noch immer gegen den eklatanten Nachwuchsmangel. So war es auch zu den Registrierungen gekommen. Noch allerdings existierte wenigstens keine Geburtenpflicht). Inzwischen waren die Vororte schon gut eingerichtet. Es gab illegale Läden, Krankenstationen, sogar Schulen. Aber noch immer lebte man im Schatten der Mauern mit der Gewissheit, verstoßen worden zu sein, weil man nicht ins Bild passte oder etwas sagen wollte.
Manchen Menschen sah man dieses Gefühl an. Still musterte ich die Leute um mich her. Erneut nahm mich kein einziger von ihnen wahr. Waren sie zu beschäftigt mit ihrem eigenen Leiden? Interessierten sie sich gar nicht für die Angelegenheiten der Stadt, in deren Schatten sie wuchsen?
Aber das bezweifelte ich. Hätte einer mich erkannt, der unzufrieden mit dem Leben in den Slums war, hätte er mich in jedem Fall verkauft. Und ich könnte es ihm nicht verübeln.
Massen an Menschen zogen an mir vorüber. Ich war auf dem Markt gelandet und trug meinen Mantel, die Kapuze nicht einmal über den Kopf geschlagen. Dennoch hatte ich irgendwie das Gefühl, dass dieses Kleidungsstück mich vor den Blicken schützte. An einem Stand bekam ich Brot, ohne dass die Verkäuferin Notiz von mir nahm. An einem anderen verkaufte man mir zwei Äpfel und einige Pflaumen ohne ein Wort oder einen Blick. Ich bewegte mich immer weiter in jene Regionen, in denen man nicht nur auf illegale Weise, sondern noch dazu illegale Waren kaufen konnte. Dies war der gefährlichste Ort in den Slums, aber ich hatte keine besonderen Bedenken, da ich selbst vor einiger Zeit noch in den Slums einer größeren Stadt gewohnt hatte. Ich kannte mich aus und wusste, worauf ich zu achten hatte, wann ich Vorsicht walten lassen musste. Fast schon war es ein Gefühl, als käme ich nach Hause.
Eine kleine Tür wies zu einem angeblichen Feinmechanik-Waren Fachverkäufer. Auch hier also ein Synonym für das, was ich suchte. Geringfügiger Bedenken betrat ich den Schuppen und wurde sogleich von tiefer Schwärze empfangen. Zunächst fand ich den Verkäufer nicht und sah mich etwas unter seinen 'legalen' Waren um: uralte Taschenuhren, rostige Schlüssel und Schlösser, leere Feuerzeuge, zerbrochene Spieluhren und dazwischen alte Cd´s und USB – Sticks, womit hier wohl nun wirklich niemand etwas anfangen konnte, denn in den Slums gab es schon lange keine Computer mehr. Mein Blick blieb an einer kleinen Taschenuhr hängen, deren Rädchen sich wohl schon seit hundert Jahren nicht mehr bewegt hatten. Dennoch faszinierten mich das Ziffernblatt, die filigranen Zeiger und leichten Verzierungen. Wie alt dieses Ding schon sein musste! Es lief ja noch nicht einmal mit atomarer Langzeitbatterie!
„Ein schönes Stück und uralt noch dazu“, erklang plötzlich eine rauchige Stimme hinter mir. Überrascht wandte ich mich um und stand einem kleinen, langhaarigen Mann mit Spitzbart und trüben blauen Augen gegenüber.
„Ja“, erwiderte ich, „Aber eigentlich bin ich nicht hergekommen, um eine Uhr zu kaufen...“
„Wenn das so ist“, er faltete die Hände und musterte mich eingehend, „Wie kann ich Ihnen...helfen, Fräulein?“
„Nun“, begann ich und beobachtete ihn dabei vorsichtig, „Ich suche ein gewisses feinmechanisches Gerät, wenn sie verstehen, was ich meine.“
„Wie meinen, Fräulein?“ Er sah mich unschuldig an. Vermutlich fürchtete er, dass ich ein Spion aus der Stadt war. Ab und zu stürmte die Polizei die Slums, um Waffen und Wertgegenstände zu konfiszieren.
„Dann hab ich mich vielleicht geirrt“, pokerte ich und wandte mich zum Gehen. Als ich die Klinke bereits in der Hand hielt, rief er mich zurück: „Warten Sie.“
Ich wandte mich wieder zu ihm um. Sein Blick versuchte, in meinen Kopf zu kriechen: „Woher kommst du, Mädchen?“
„Wenn Sie auf die Beantwortung dieser Frage bestehen, muss ich Sie jetzt verlassen.“
Wieder wandte ich mich zum Gehen. Dieses Mal aber hielt er mich sofort zurück: „Ich habe verstanden. Nehme an, du bist eine von denen.“
„Von wem?“, fragte ich.
„Den Vogelfreien. Nicht wahr?“
Ich schwieg. Noch immer stand ich mit dem Gesicht zur Tür.
„Keine Sorge“, hörte ich ihn sagen, „Das allein enttarnt dich nicht. Inzwischen gibt es so viele von euch...“
Nun erst drehte ich mich zu ihm um: „Wie meinen Sie das?“
„Jede Woche bringen sie eine Liste heraus“, antwortete er mir kopfschüttelnd, „Letzte Woche hat es meinen Sohn erwischt.“
Ich sah tiefen Hass in seinem Gesicht.
„So können sie nicht ewig weiter machen“, musste ich ungläubig bemerken, „Wer soll denn am Ende noch übrig bleiben?“
„Nach der ersten Liste gab es Proteste“, erklärte der Verkäufer, „daraufhin haben sie immer neue Listen herausgebracht, die die Protestierenden einschlossen. Schließlich verstummten die Proteste vorerst. Sie versuchen, den Menschen Panik zu machen und es funktioniert. Aber immer mehr Menschen laufen fort und verstecken sich. Von der ersten Liste haben sie achtzehn Menschen eingekerkert, weil sie alle nicht daran glaubten und sich nicht bewegten. Auch von der zweiten haben sie noch viele erwischt. Aber inzwischen haben die Menschen gelernt.“
Darum also hatten sie mich zu Anfang nicht wirklich verfolgt. Sie hatten vermutlich gar nicht daran gedacht, dass ich nicht mehr da sein würde. Aber achtzehn. Achtzehn Menschen, die sich zum selben Zeitpunkt in der selben Situation befunden hatten wie ich, hatte es die Freiheit gekostet, nicht paranoid gewesen zu sein. Ein Schauder durchlief mich. Ein anderer war noch auch freiem Fuß. Ein einziger außer mir. Ich erinnerte mich, an diesem Morgen nicht auf viele von den Namen geachtete zu haben. An fünfter Stelle war der meine genannt worden, woraufhin ich mich in heller Aufbruchspanik befunden hatte. Ob noch jemand dabei gewesen war, den ich kannte? Es waren damals schließlich nicht nur meine Mutter und ich gewesen, die sich auf so unpässliche Weise widersetzt hatten...
Mama.
„Mein Name ist Kenzo“, unterbrach der Verkäufer meine Gedankengänge und bot mir seine Hand an. Ich sah ihn leicht lächeln. Auch Neugierde lag in diesem Blick. Aber es war eine Neugierde, die mich nicht abschreckte.
Ich griff nach der Hand, als beschritte ich bedenkenlos eine Brücke, die keiner sonst betreten hätte, weil sie über einen reißenden Fluss führte. „Reia“, stellte ich mich vor. Ich selbst verspürte die unbegründete Gewissheit, dass die Brücke halten und mich endlich weiterbringen würde.
„Willkommen in meinem Laden, Reia“, schmunzelte er und aus irgendeinem Grund durchfuhr mich ein erneuter Schauer. Für einen Moment war ich sicher, ihn bereits zu kennen.
„Ich würde mich freuen, wenn du mir etwas erzählen könntest. Was hältst du von einem Tee?“

Im hinteren Teil des Ladens brannte einige Öllampe und verbreitete schummriges Licht. In diesem Abteil fanden sich keine Regale mehr und auch keinerlei Wahren. Dieser Ort wirkte beinahe wie eine Art schäbiger Wohnraum. Kenzo hatte einem Kessel, der in einer extra dafür ausgesparten Raumecke über einem Campinggaskocher aus Zeiten meiner Ururgroßmutter vor sich hin köchelte, etwas heißes Wasser entnommen, um damit frischen Tee aufzugießen und nun verbreitete sich ein angenehmer Duft von Salbei im Raum, der ansonsten eher nach Rost und Staub roch.
„Ich frage dich nicht, auf welcher Liste dein Name stand“, erklärte Kenzo vorsichtig, „aber ich sehe, dass du schon ein Weilchen unterwegs sein musst.“
Ich antwortete nicht, starrte auf meine Teetasse, während der Mann irgendetwas zwischen seinen Kesseln herumhantierte. Ich bemerkte nicht einmal, dass er dabei war, zu kochen.
„Darf ich dir meinen Respekt aussprechen?“, fragte er, mein Schweigen schien ihn nicht zu verunsichern, „Du musst einen weiten Weg hinter dir haben, aber immerhin hast du es hierher geschafft ohne dich selbst zu verlieren.“
Nun musste ich lächeln: „Wie alles, was mir bisher widerfahren ist, war aber auch das eher Zufall.“
Ohne eine gewisse Begegnung wenige Tage zuvor würde ich nämlich noch immer ziel- und antriebslos wie eine Art Zombie durch den Wald irren. So viel musste man diesem Rahlis anrechnen. Selbst wenn er mir einen gewaltigen Schock versetzt hatte.
„Lieber glücklicher Zufall als missglückte Pläne“, schmunzelte Kenzo und etwas väterliches lag darin.
Kurz schwieg ich, dann sah ich zu ihm auf und musterte ihn vorsichtig: „Sie sprachen vorhin von Ihrem Sohn... Ist er auch geflohen.“
Das Lächeln auf Kenzos Gesicht versteifte sich: „Ja, aber er ist schon lange fort. Ich habe ihn rausgeworfen, als er volljährig wurde...“
Überrascht sah ich ihn an: „Warum...warum haben Sie denn...?“
Er stockte in seiner Arbeit. „Willst du wirklich diese Geschichte hören? Eine Geschichte, die so lange her ist und mit der du nichts zu tun hast?“
Nachdenklich betrachtete ich die Tischplatte. „Wenn Sie mir Ihre Geschichte erzählen wollten, wäre mir das eine Ehre“, antwortete ich dann.
Er wandte sich zu mir um und wieder überraschte mich das Schmunzeln, dass ihn mir so bekannt erscheinen ließ.
„Ich werde dir unter einer Bedingung erzählen, Reia.“ Und sein Blick wurde provokant: „Und zwar unter der, dass du heute mein Gast bist und endlich aufhörst, mich zu Siezen.“
Auch ich musste lächeln. „Einverstanden“, nickte ich, „Also erzählst du mir...deine Geschichte.“
Kurz schien er mich zu beobachten und abzuschätzen. Dann wandte der hagere, sehnige Mann, der nicht größer war als ich selbst, sich erneut seinem Arbeitstisch zu und begann, mir eine Geschichte zu erzählen.
„Wenn ich genauer darüber nachdenke, ist dies das erste Mal, dass ich behaupten kann, etwas richtig gemacht zu haben“, erzählte Kenzo, „Denn jetzt, da er gesucht wird, hat er die besten Voraussetzungen, die man sich dafür wünschen kann.“
„Wie das?“
Er sah mich an, etwas blitzte in seinem Blick: „Bei seiner Geburt wurde er nicht registriert.“
Überrascht zog ich die Augenbrauen empor: „Wie ist denn das möglich?“
Es war lange her, dass man diese Regelung eingeführt hatte. Lange vor meiner Geburt war das geschehen. Zunächst fand diese Registrierung zum Erreichen der Volljährigkeit statt, schließlich aber führten sie die Regelung ein, dass ein jedes neugeborene Kind registriert werden müsse. Aus Sicherheitsgründen wollten sie das tun und aus Kontrollgründen, die aber die Bevölkerung nicht näher beträfen, sagten sie. Jedes Kind fand Platz und Nummerierung in einer langen Liste von anderen identitätslosen Wesen. Fingerabdrücke und DNS wurden digital gespeichert. Von jedem einzelnen Menschen. So damals auch von mir, weshalb ich nun auch einige Probleme hatte, denn man hatte alle Informationen über mich, die man brauchte, um mich verfolgen und überwachen zu können. Zunächst zeigten sich gute Resultate. Die Verbrechensbekämpfung schritt weit voran, aber dann, und das war längst nicht der gesamten Menschheit aufgefallen, begannen sie, ihre Macht zu missbrauchen.
Kenzo hatte seine Arbeit beendet und inzwischen köchelte in dem Topf über dem Gaskocher sein nächstes Abendessen, sodass er sich zu mir an den Tisch setzte.
„Gleich zu Beginn dieser Registrierungsentwicklungen war ich misstrauisch geworden. Als sie begannen, mit der DNS herumzupfuschen, war mir auch klar, wieso, denn auf einmal schienen sie alles über einen jeden Menschen wissen zu können“, und er sah mich bedeutungsvoll an. Ich unterdessen erinnerte mich daran, was auch meine Mutter mir bereits erzählt hatte: Es fing damit an, dass sie den jeweiligen Schulweg festlegten. Dann setzte sich alles fort, indem sie einem den späteren Berufsweg empfahlen und auf diese Weise versuchten, Künstler aus der Welt zu schaffen. Auch Mama hatten sie etwas vorgeschrieben, etwas, was sie gerade mehr brauchten, als eine Schriftstellerin. Und da sie sich stets weigerte, einen anderen Weg einzuschlagen als den ihren, hatte man versucht sie umzustimmen. Und als das nicht funktionierte und sie in immer weiteren Texten Freiheit forderte und definierte, da hatte man zu neuen Mitteln gegriffen...
Auch in Kenzos Blick loderte Erinnerung: „Zu dieser Zeit verliebte ich mich in eine junge Frau, die mit großer Begeisterung malte. Und natürlich hatte sie so ihre Schwierigkeiten mit dem System... Man versuchte, sie zu überreden, aber sie war stur.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und versiegte sofort wieder. „Schließlich mussten wir fortgehen. Wir wollten einen eigenen Versuch starten, außerhalb der Gesellschaft leben. Ähnlich wie du vielleicht...“ Er musterte mich aufmerksam: „Denn ich nehme an, auch auf dich sind sie erst aufmerksam geworden, weil du keine Laborassistentin oder Lehrerin werden wolltest, nicht wahr?“
Kurz flammte Misstrauen in mir auf, doch es war kein Wunder, dass er so schnell zu diesem Schluss gekommen war. Und es stimmte. Erst wenige Monate zuvor hatte man mir ein letztes Mal geraten, mich doch lieber anders zu entscheiden und den richtigen Weg einzuschlagen. Törichter Weise hatte ich nicht gehört.
„Pharmazeutin“, berichtigte ich ihn, „und ich vermute, dass es auch um meine Mutter ging...“
„Es geht immer in Wirklichkeit um die Eltern, wenn die Kinder plötzlich im negativen Fokus stehen“, schmunzelte Kenzo. Dann fuhr er fort: „Einige Jahre lebten wir ruhig und friedlich in irgendeinem Dorf außerhalb jeder Zivilisation auf unsere eigene Art und Weise. Doch als sie schwanger wurde, wurde sie unruhig. Sie hatte Angst, dass jemand von dem bevorstehenden Segen etwas merkte und man versuchen würde, uns das Kind wegzunehmen. Damals war das zwar noch nicht Gang und Gebe, die Gefahr erhöhte sich aber, als die Vergangenheit uns tatsächlich wieder einzuholen versuchte.“
Gespannt lauschte ich, während sich die Schatten an den Wänden zu einer Geschichte verwoben.
Sie hatten eine Nachricht zugestellt bekommen, die mehr oder weniger folgendes verlauten ließ: Auf einmal wollte man das junge Paar zurückzwingen und im Zweifelsfall verhaften. Also packten sie am selben Abend noch alles zusammen, was sie besaßen, und verschwanden von der Bildfläche. Es war überraschend, dass sie überhaupt die Gelegenheit dazu bekamen... Alles war anders gewesen zu den Anfängen.
Wieder hatten sie eine Weile ihre Ruhe gehabt, was aber wohl daran gelegen hatte, dass sie beständig ihren Wohnort gewechselt hatten. Die Lebensweise kam mir irgendwoher bekannt vor... Einige meiner Freunde waren spurlos verschwunden. Vermutlich waren die Gründe an dieser Stelle die gleichen. Schließlich kannte auch ich selbst das Bedürfnis, endgültig zu verschwinden. Was dachte ich da überhaupt: inzwischen hatte ich es ja wahr gemacht. Nun war ich eine von den Spurenlosen. Hoffentlich.
Niemand erfuhr von der Geburt des kleinen Sohnes und so ließen sie das Kind nicht registrieren. Schließlich aber geschah das Unausweichliche.
„Margeret hatte mir das Kind gelassen, um etwas in der Stadt zu erledigen. Aber am Abend warteten wir vergeblich auf sie. Sie kehrte nie zurück. Zwei Tage später berichtete mir ein Freund von ihrer Festnahme. Sie hatte sich gewehrt und war erschossen worden. Einige Tage später verließ ich schweren Herzens mit meinem dreijährigen Sohn das Dorf, aus Angst, dass sie ihn nun auch noch finden würden, nachdem sie mir meine Frau genommen hatten.“
Seine Stimme zitterte. Ich hielt den Atem an bei den Worten, brachte aber selbst keines heraus...
„Aber sie haben ihn nie gefunden“, fuhr Kenzo fort, „Nicht einmal von seiner Existenz haben sie erfahren. Nur fanden sie mit Hilfe des DNS-Rückerinnerers vor zwei Wochen mich. Ich hatte ihn schon vor zehn Jahren fortgejagt, weil ich befürchtete, dass sie sich irgendwann an mich erinnern würden und damit auf ihn stoßen. Dennoch erfuhren sie nun, dass es ihn gab, und setzten ihn, da ich ihn nie registrieren lassen hatte und er auch jetzt nicht auffindbar war, und somit also sich der Gesellschaft sträubte, auf die Liste.“
Mitleid lag in meinen Augen, ohne dass ich es wollte. Aber ich musste daran denken, dass der Junge vielleicht noch nicht einmal wusste, dass er gesucht wurde. Wenn er irgendwann versehentlich einer Wache über den Weg lief...
Aber vermutlich hatten sie nicht einmal ein Foto von ihm... Aus dieser Sicht gesehen war er der Glücklichste von uns allen. Ein nicht registrierter. Wie wäre es gewesen, so einer zu sein...? Wenigstens gehörten wir nicht zu den Menschen, denen man einen Sender eingepflanzt hatte... noch nicht.
„Sieh mich nicht so traurig an“, lächelte Kenzo plötzlich, „Mein Junge weiß sich durchzuschlagen. Ich habe nur Angst, dass er meine Karriere weiterführt... Aber wie ich ihn kenne, wird er sich gar nicht erst auf andere Menschen einlassen.“
Ein Bild fuhr mir durch den Kopf und verschwand auf der Stelle wieder, ohne dass ich mich daran hätte erinnern können.
Ich senkte den Blick, als ein Teller vor meiner Nase landete. Plötzlich umfing mich Stille.
Kenzo begann zu essen. Nach einer Weile legte er das Besteck nieder.
„Was ist los mit dir? Hast du keinen Hunger mehr?“
Ein zerbrechliches Lächeln gewann über meine Züge: „Meine Mutter...“
Kenzo beobachtete mich stumm.
„Sie war schwanger, weißt du? In zwei Wochen sollte das Kind geboren werden...“
Warum sprach ich überhaupt in der Vergangenheit?
Der Mann mir gegenüber schob seinen Teller von sich. Kurz schwieg er nur, dann legte er die Hände, die Handflächen nach oben, auf den Tisch.
Verdutzt sah ich ihn an.
„Es ist schwer“, sagte er mit einem tief in anderen Zeiten versunkenen Blick, „vor allem, wenn man allein ist... Lass uns an deine Familie denken. Und an meine. Vielleicht bewirkt es etwas. Zumindest für uns...“
Kurz zögerte ich, dann stiegen mir die Tränen empor und ich ergriff seine Hände. Wir beide schlossen die Augen und saßen Minuten lang nur da. Das Feuer im Kamin wurde kleiner, das Essen kalt. Draußen senkte sich die Sonne, während wir noch lange saßen und redeten. Wieder einmal hatte ich beinahe das Gefühl von Familie.
Am Ende war ich satt und konnte wieder lächeln, wenn ich auch trotzdem bedrückt war.
„Du könntest heute hier schlafen, wenn du willst“, bot Kenzo mir an, „Es wird immer kälter im Wald. Und ich verstehe zwar, dass du misstrauisch sein musst, was mich betrifft, aber du kannst die Tür verriegeln, wenn es dir lieber ist.“
Ich errötete leicht: „Ich danke dir. Aber ich habe das Gefühl, dass ich heute im Wald besser aufgehoben bin.“
Kenzo nickte und reichte mir eine Waffe.
Fasziniert und überrascht musterte ich sie. „Wie viel?“, fragte ich ihn.
„Gib mir fünf Taler und ich bin glücklich.“
„Ich will dich nicht ruinieren“, erwiderte ich streng.
Doch Kenzo schmunzelte nur: „Ich bestehe darauf, Fräulein.“
Lächelnd nahm ich die Waffe an und tauschte sie gegen mein letztes Geld.
„Und das hier“, grinste der alte Mann und hielt mir etwas entgegen, was sofort noch mehr Verwunderung in mir auslöste. Es war die Uhr, die ich bei meiner Ankunft so ausgiebig betrachtet hatte.
„Nimm sie als Geschenk. Ich hoffe, sie bringt dir Glück.“
„Ich kann das nicht alles annehmen“, wehrte ich mich, „Ich bin zwar vogelfrei, aber noch lang keine Schmarotzerin.“
Kenzo schüttelte nur den Kopf: „Du kannst mir dafür einen Gefallen tun.“
„Welchen?“
Er hielt mir einen Brief entgegen.
„Gib den an meinen Sohn weiter, wenn du ihn triffst.“
Mein Blick wurde verständnislos: „Aber...“
„Ich weiß, es ist eine seltsame Bitte. Vielleicht wirst du ihm niemals begegnen. Aber wenn es dir doch passieren sollte, gib ihm den.“
Gerührt nahm ich den Brief an mich. „Und wie erkenne ich ihn?“
Kenzo zwinkerte: „Er sollte etwa so verdorben sein wie sein alter Herr, dennoch...“, und in seinem Blick zeichnete sich Stolz ab, „...dennoch hat er das Herz am rechten Fleck und sein Verstand überschreitet den Horizont. Seinen Namen zu erfahren, würde dir nichts bringen. Ich vermute, dass er ihn geändert hat..., aber irgendwie, Reia, irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich dir heute diesen Brief mitgeben muss...“
Ich musste lächeln. „Danke für das Vertrauen“, und drückte zum Abschied seine Hand.
„Ich danke dir“, lächelte Kenzo mit diesem mir so bekannten Lächeln, „Ich hoffe, man trifft sich irgendwann einmal wieder. Vielleicht in besseren Tagen...“
„Vielleicht in besseren Tagen“, murmelte ich. Dann verließ ich den Laden und den illegalen Waffenhändler in einer staubigen halb-unterirdischen Kammer aus Pappwänden.
Hätte ich an diesem Abend gewusst, wie berechtigt unser beider Vermutungen gewesen waren, meine, nicht zu verweilen, und seine, den Brief fortzugeben, hätte ich gewusst, dass schon zwei Stunden später ein riesiges Feuer sich an dieser Stelle in den Himmel erheben sollte, ich wäre, um seinetwillen, wahrscheinlich geblieben. Aber das wusste ich nicht. Ich hörte auf mein Bauchgefühl und suchte mir wie jeden Abend ein Versteck im Wald, um einsam und frierend, aber sicher vor allem Äußeren, mein Inneres zu durchforsten. Denn diese Dinge blieben: Ich wollte am nächsten Tag in die ummauerte Stadt gehen. Und ich brauchte einen Plan, wie es danach weiterginge. Falls es denn ein danach noch gäbe.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Ich kann nicht schlafen (mal wieder)


Es ist nicht grade leicht mit solch entsetzlichen Kopfschmerzen einzuschlafen und es wird auch nicht leichter, durch den Terror der zuhause abgeht.
Ich lieg in meinem Bett und höre in unregelmäßigen Abständen die Türen zu knallen. Wobei ich mir jedesmal wieder die Frage stelle, ob nicht langsam Alle Türen, die man zuknallen könnte kaputt sein müssten. Auch tritt immer irgendjemand gegen eine Tür. So wie es sich anhört ist es meine. Ich schaue kurz auf. Meine Tür ist noch heile. Mal kurz Rechnen: Wir haben eine Toilette, ein Badezimmer, eine Küche und vier Zimmer. Das bedeutet sieben Türen. Im Klartext ist meine Tür die letzte im ganzen Haus.
Es hilft auch nichts Musik anzumachen und diese Lauter zu drehen währe bei den Kopfschmerzen ein Eigentor. Mal ganz davon abgesehen, dass das Geschrei meiner werten Familienmitglieder dem Shouting schon sehr nahe kommt. Ich meine sogar gelegentlich Pigsqueels zu hören aber ich kann mich irren. Ich bin jetzt beinahe beeindruckt dies hält aber nicht lang. In dem Moment in welchem ich das erste Geschirrstück an der Wand zerschellen höre, merke ich das es nicht Heaven shall Burn oder Parkwaydrive und auch nicht the Agonist oder was weiß ich wer ist. Denn auch wenn das zerschmetternde Geschirrstück einem Crashbecken sehr nahe kommt, ist das alles einfach vollkommen aus dem Takt und unregelmäßig. Es klingt als hätten ein paar Leute beschlossen ein Instrument zu lernen und daraufhin direkt eine Band gegründet.
Ich stehe auf und gehe in böser Erwartung in die Küche. Ich suche die Uhr aus den einstmaligen Möbeln und schaue drauf. Als sie stehen geblieben ist, war es um vier. Wann machte der Bäcker auf? Um sieben? Ja so ungefähr. Naja also hier finde ich keinen Kaffee mehr.
Es klingelt an der Tür. Da sämtliche Andere, die zum öffnen der Tür in Frage kämen, grad voll und ganz mit werfen und ausweichen beschäftigt sind, öffne ich die Tür. Vor mir steht eine junge Dame etwa in meinem Alter: „Geht das nicht ein wenig leiser?“
„Ja“ sage ich „Ich nehme an das Geschirr ist bald alle dann müssen die erst einmal wieder auf Munitionssuche.“ Ein Teller fliegt an uns vorbei und zerschmettert an der Gegenüberliegenden Tür. Ich verliere langsam die Geduld ich bin am Ende!
„Kannst du da nicht mal eingreifen.“ Sagt die Dame sichtlich genervt
„Ich hab meinen Helm nicht hier.“
Gegenüber öffnet sich die Tür: „Haben sie geklopft?“ fragt ein verschlafener Herr.
„Nein“ sage ich „Das war unsere Kücheneinrichtung.“
„Ihre Küche hat bei mi…“ weiter habe ich nicht gehört. Mir wurde jedes Wort zu viel. Alles was gesagt wurde, jedes Teil was durch die Luft flog sogar die süße Studentin die vor mir stand. Und auch wenn ich mich einige Wochen zuvor, super mit ihr verstanden hatte, wollte ich sie jetzt absolut nicht sehen. Sie nicht und den ganzen Rest auch nicht. Mir wird alles zu viel.
„Stooooopp!“ schreie ich. Die Umgebung verschwimmt und ich finde mich in einem dunklen Raum auf einem Stuhl wieder. Gegenüber von mir sitzt ein Man mit einem grauen Anzug, einem schwarzen Hut und einer Zigarre im Mund. Zwischen uns Steht ein Tisch welcher wohl zusammen mit den Stühlen, das einzige Möbelstück zu sein scheint.
„Wer sind sie?“ frage ich
„Ich bin in deinen Augen unmöglich. Deshalb glaubst du nicht was du siehst.“
„Sind sie eine Hummel?“
„Nein.“ Sagt der man lächelnd. „Sagen wir… du glaubst nicht an meine Existenz weil ich mich dir nicht Zeige. Dir geht auf die Nerven was mir alles nachgesagt wird. Und glaub mir das tut es mir auch denn es ist nicht alles nur Gut. Aber naja du musst nur ein oder zwei mal etwas für einen Menschen tun und schon bist du für alles verantwortlich.“
„Dann sind sie Gott?“
„So könnte man es sagen.“ Der Man hat eine Tiefe und raue aber ebenso warme Stimme. Ich weiß nichts zu sagen. Beziehungsweise ich traue mich nicht etwas zu sagen. Dann sage ich doch das einzige was mir einfällt. Es ist zwar nicht intelligent, aber höchstwahrscheinlich kannst du in Gegenwart von Gott eh nichts intelligentes sagen.
„Was mache ich hier?“ frage ich
„Du bist hier…“ Sagt Gott und unterbricht sich um den Rauch seiner Zigarre aus zu pusten. „du bist hier, weil ich die ein Angebot machen möchte.“ Er hält mir eine offene Schachtel Zigarren entgegen. Ich nehme mir eine heraus, stecke sie mir in den Mund und Gott zündet sie mir mit einem Zippo Feuerzeug an.
Nach einer längeren Pause, frage ich dann: „Was für ein Angebot?“
„Du kommst zu mir.“
„Und dann?“
Gott lächelt wieder: „Dann hast du keinen Stress mehr.“
„Und ich muss nichts dafür tun?“ frage ich
„Doch. Lebendig kommst du nicht in den Himmel.“ Sagt Gott und weißt auf eine Pistole welche auf dem Tisch vor mir liegt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie schon die ganze Zeit da liegt.
Ich zögere.
„Lass dir Zeit.“ Sagt Gott „ich hab unendlich viel davon.“
Ich zögere weiterhin. Dann sagt Gott: „Um ehrlich zu sein es ist keine Echte Pistole. Wenn du Sterben willst, wirst du sterben. Wenn nicht, dann nicht. In dem Fall schickt sie dich lediglich nach Hause.“
„Das macht es nicht einfacher…“
Gott lächelte. Ich griff nun nach der Pistole. Und während ich die Pistole zu meinem Kopf führte, sprangen meine Gedanken immer hin und her. Zwischen leben und sterben. Die Pistole hatte meinen Kopf erreicht. Wenn ich abdrücken würde, währe es Russisch Roulette. Ich konnte nichts beeinflussen… Ich drücke ab…

Montag, 9. Juli 2012

Phänomen Haustür


Falz man der Schönen Stadt Magdeburg einmal einen Besuch abstatten möchte, lohnt es sich Absolut, bei unserer Haustür vorbei zu schauen. Das Beste was ich vor dieser Haustür erlebt habe, war der unangemeldete Sperrmüll. Es war wie in der Vorweihnachtszeit. Du bist jeden morgen hinaus gegangen in der Erwartung zu sehen was sich wohl an dem Sperrmüll verändert hat. Zum Verständnis, hier meine Aufzeichnungen.
Tag 1:
Der Hausmeister stellt früh‘ s die Mülltonnen vor die Tür. (Erst mal nichts Besonderes)

Tag 2:
Die Mülltonnen sind verschwunden. Stattdessen stehen nun ein alter Computer und ein Drucker dort.

Tag 3:
Zusätzlich zu dem Computer und dem Drucker kommen einige Bretter.

Tag 4:
Der Computer und der Drucker sind verschwunden. Nun findet sich hier ein alter aber noch intakter Schrank. Meine Schwester und ich nehmen den Schrank mit nach oben und stellen einen leicht beschädigten Stuhl nach unten.

Tag 5:
Scheinbar dachte jemand, der Stuhl währe einsam jedenfalls steht ein zweiter noch guter Stuhl direkt daneben.
Als ich später am Abend noch meiner all Abendlichen Zigarette nachgehe, ist der zweite Stuhl verschwunden. Es finden sich jedoch ein paar mehr Bretter und eine kleine Trittleiter.

Tag 6:
Noch mehr Bretter. Sonst nichts!

Tag 7:
Die Trittleiter ist verschwunden. Es findet sich ein Zettel auf dem steht: Danke für die Leiter jetzt komm ich auch an den Strick ran.
Makaber…

Tag 8:
Die Müllsäcke blockieren die Sicht auf das Geschehen.
Am Abend, haben die netten Orangenen Männer die Müllsäcke weggeräumt und eine Skulptur aus den Brettern errichtet.

Tag 9:
Die Skulptur ist weg. Nun gibt es einen Neuen Schreibtisch. Es ist der erste Schreibtisch in der Geschichte dieser Haustür aber er ist zu schwer für mich alleine.

Tag 10:
Ich komme mit Verstärkung wieder um den Schreibtisch zu holen doch ist verschwunden stattdessen finden wir einen 100 Euro Ikea Gutschein.

Tag 11:
Der Ikea Gutschein ist verschwunden.

Tag 12:
Es liegt ein zerrissener Strick vor der Haustür. Daneben ein Zettel: Brauche neuen Strick.

Tag 13:
Es Befinden sich nun neu: eine Matratze und 11 Euro Wechselgeld vor der Haustür.

Tag 14:
Der alte Strick sowie die 11 Euro sind weg. Es liegt ein neuer Strick da und nur noch 5,50 Euro Wechselgeld in zwei 2 Eurostücken, einem 1 Eurostück, einem 20 Zentstück und drei 10 Zentstücken. Daneben ein Zettel: Pass diesmal besser drauf auf!

Tag 15:
Wieder Müllsäcke und wieder verschwinden sie am Abend allerdings vermisse ich diesmal die Skulptur. Ich rufe bei der Müllabfuhr an und beschwere mich. Sie sagen mir sie hätten nichts gefunden was sie hätten nutzen können, aber sie kommen gerne morgen erneut vorbei.

Tag 16:
Das Wechselgeld wurde zusammengeschweißt und ergab nun das Abbild eines Gesichtes.
Ich nehme es aus Höflichkeit mit nach oben.

Tag 17:
Nachdem ich mich die Nacht über vor dem Gesicht gefürchtet habe, möchte ich es wieder runterbringen. Ich bemerke, dass die Matratze verschwunden ist und neben dem Strick liegt nun ein Zettel: Brauch ich nicht mehr. Hab endlich ne Matratze. Ich bringe das Gesicht wieder nach oben. Es tut mir ein wenig Leid.

Tag 18:
Ich vermute, dass der Besitzer der Matratze keine Bettwäsche hat, und lege ihm welche hin.

Tag 19:
Die Bettwäsche ist weg. Ich finde einen Zettel mit der Aufschrift: Danke! Ich schreibe dazu: Brauchst du noch was? Der Kerl war mir irgendwie sympathisch.

Tag 20:
Es stehen Einzelteile da welche einmal ein Schreibtisch gewesen sein könnten. Daran war ein Zettel befestigt: War wohl auch von Ikea.
Auf dem anderen Zettel steht nun: Nein danke. Ich melde mich.
Ich schreibe zurück: Ok. Wer bist du eigentlich?

Tag 21:
Nach etlichen Chancen, beschließe ich das Gesicht doch wieder runter zu bringen. Der Ikea Schreibtisch ist weg und auf dem Zettel von dem sympathischen Typen steht: Weißt du‘ s nicht? Ich bin die Kaiser Otto Ratte. Ich frage mich nicht was eine Ratte mit einer Matratze will oder wieso ich mit einer Ratte schreibe immerhin war es die Kaiser Otto Ratte.

Tag 22:
Ich komme erst abends raus und verpasse die Müllbeutel. Das Kleingeldgesicht ist weg. Es liegt ein Zettel da: Wollten sie nicht? Ich schreibe dazu: Ich hatte Angst vor ihm.

Tag 23:
Vor der Tür steht ein Typ mit einer Gitarre und singt: „Wo sind all die Möbel hin“. Er drückt mir einen Zettel und die Hand und sagt er währe für mich. Dann singt er weiter. Auf dem Zettel steht abgesehen von der vorherigen Unterhaltung: Es war ein weibliches Gesicht .Ich schreibe zurück: Das erklärt alles. Und gebe dem Typen mit der Gitarre den Zettel zurück. Im übrigen befand sich außer ihm nur noch der neue Strick vor der Haustür.

Tag 24:
Der Typ mit der Gitarre ist verschwunden. Gegenüber an einem Baum hängt einer. Die Mülltonnen sind nun wieder da und aus der schwarzen Tonne ragt der Hals einer Gitarre.

Tag 25:
Ein Zettel: Müllabfuhr immer Montags. Die Tonnen sonst bitte auf den Hinterhof.

Donnerstag, 5. Juli 2012

Mittagspause


Ich sitze auf der Bank eines Parks der sich in der Nähe des alten Backsteinhauses. Wohlverdiente Mittagspause. Das bedeutet gemütlich etwas essen und Menschen sowie ihre Verhaltensweisen Beobachten. Es kommen zum Beispiel Frauen vorbei, welche aufgrund der Art und Weise wie sie sich kleiden, nämlich einfach möglichst wenig, einem jeden Man signalisieren, dass sie auf der Suche sind. Ob sie das wissen? Und ob die Frauen die wirklich beinahe gar nichts oder wie in einem Fall Hackenschuhe, Kurze aber extrem eng anliegende Jeans Und ein Bauchfreies Top mit einem Ausschnitt bis zu ihrem Bauchnabel anhaben, wissen dass sie damit nicht etwa zeigen, dass sie auf der Suche sind sondern diese Zurechtmachung absolute Verzweiflung ausdrückt? Logisch dass sie nur für eine Nacht genommen wird. Aber damit noch nicht genug. Besagte Hackenschuhe mit einem Absatz von geschätzt fünf oder sechs Zentimetern, sind das Highlight dieser Weiblichen Jägerin. Denn nicht nur, dass Hackenschuhe sowieso dieses wundervolle Geräusch beim Auftreten machen. Nein Diese Person steckt in ihre Schritte auch noch so viel Kraft, dass ich vollkommen davon abgelenkt bin ihr auf den Hintern zu glotzen, da die unter ihren Füßen wegsplitternden Steine meine Aufmerksamkeit voll und ganz beanspruchen.
Dann treffen sich in diesem Park gelegentlich Studentinnen, um ihre Mittagspause gemeinsam zu verbringen. Das bedeutet, dass zuerst eine Studentin auftaucht und sich mit dem Rücken zu dir hinstellt. Gelegentlich schaut sie über dich hinweg um zu sehen ob ihre Freundin schon in Sichtweite ist (Im Übrigen würde sie das auch tun wenn sich hinter dir eine zehn Meter hohe Mauer befände). Du musterst sie die ganze Zeit von oben bis unten bis ihre Haare wieder deine volle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sollte einmal ein Teil des Gesichtes zu sehen sein, ist das natürlich am interessantesten. Achte darauf, dass alles ein wenig flüchtig wirkt. So als würdest du sie offensichtlich beobachten aber versuchen so zu tun als würdest du lediglich deinen Blick schweifen lassen. Sie kann es natürlich nicht sehen. Das ganze macht sich eigentlich erst bezahlt, wenn die Freundin auftaucht welche ja nach logischer Schlussfolgerung in deine Richtung guckt. Diese macht ihre Freundin welche du zuvor beobachtet hast auf dich aufmerksam woraufhin diese sich sehr hastig umdreht dann allerdings innehält um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie lächelt, du hast es vom Prinzip her geschafft. Ich bin allerdings nie weiter gegangen, da ich einfach nur die Verhaltensweisen beobachten wollte. Eigentlich hält sich mein Interesse in Grenzen und selbst wenn ich interessiert währe ist mein Anstand noch groß genug meine Freundin nicht zu betrügen. Bei ihr war es im übrigen einfacher. ;-)


05.07.12
Victor Ian Clockwork

Mittwoch, 4. Juli 2012

Die Führung


Neulich, hatte ich einen dieser Tage, welche immer schon so toll anfangen und am Ende mit einem Lächeln im Gesicht zu Ende gehen. Wirklich anfangen, tat es mit der Tatsache, dass es einer dieser schönen Brückentage zwischen einem Wochenende und einem Feiertag war, und ich arbeiten musste.
Also, erscheine ich pünktlich um 09:00 Uhr im Büro und es ist niemand da. Das bedeutet um 09:00 Uhr ist normalerweise eh fast keiner da aber es änderte sich auch nicht großartig. Es war genau genommen nur eine einzige Kollegin da, welche mir im Laufe der Zeit eröffnete, dass Eine Führung für eine 10. Klasse an diesem Tag geplant war. Dem folgte dann die Bitte ob ich diese Führung bitte übernehmen könnte, da sie sehr viel zu tun hatte. Kein Problem. Einerseits war es ohnehin meine Aufgabe kurzfristig einzuspringen wenn jemand ausfiel und außerdem war diese Kollegin eine von wenigen, die noch keinen Nervenzusammenbruch im alten Backsteinhaus erlitten hatten. Vielleicht würde sie ja irgendwann einen Rekord aufstellen. Dann würde ich in den Danksagungen erwähnt werden.
Ok ich sollte also eine Führung machen. Ich bereitete mich vorher noch ein wenig vor, und ging den Weg ab. Los ging alles auf dem Hof, dann in den kleinen- anschließend in den Großen Saal. Das Interne Café und die alte Korbwerkstatt.
Die Führung beginnt in wenigen Minuten. Ich stehe vorbereitet und auf alles gefasst an der Einlasstür und warte auf meine Follower.
Die Schulklasse kommt. Einige spielen Gameboy einige unterhalten sich sehr laut einige schweigen mit dem Gebäude um die Wette. Ich bitte alle, mir auf den Hof zu folgen und gehe voraus.
Auf dem Hof angekommen, warte ich bis der Trubel vorbei ist und zumindest die Mädchen so tun als würden sie sich für das was ich sage interessieren. Zumindest als ich mit meinem Namen anfing, wurden sie kurz aufmerksam. Danach werden sie wohl wieder abgeschaltet haben. „Schönen guten Tag, mein Name ist Victor Clockwork ihr dürft mich allerdings gerne Herr Clockwork nennen. Also… schon die erste Frage? Ich hab doch noch gar nicht angefangen.“
„Was machen sie hier?“ fragt ein Mädchen welches offensichtlich mit Herz und Seele blond ist.
„Ich absolviere hier meinen Freiwilligendienst. Das bedeutet, ich arbeite gegen ein geringes Entgeld für ein Jahr in dieser Einrichtung.“
„Ah. Okay.“
„Weitere Fragen? Nich? Okay dann mach ich weiter. Also das Alte Backsteinhaus wurde im 18 Jahrhundert…“
Schon sank die Konzentration allerdings verschwand sie erst endgültig, als wir im kleinen Saal ankamen und ich anfing von Kasematten zu reden.
„Was für Matten?“ fragte ein anderes blondes Mädchen.
„Kasematten. Das war so zu sagen der Wohnbereich der Soldaten.“
Ich hatte nun keine Lust mehr aber erst in dem Moment, in dem ein Handy klingelte, kam mir eine Idee das ganze für mich amüsanter zu machen.
„Wusstet ihr, dass die ersten Funktelefone von den Erbauern dieses Gebäudes genutzt wurden. Es waren nämlich außerirdische, welche eine Station auf der Erde errichten wollten. Daher auch diese Form.“ Wir waren im Großen Saal angekommen, in welchem unter anderem eine Luftaufnahme des Gebäudes war. „Das war die Form des Mutterschiffes. Wir haben also am Anfang auch überlegt ob wir dieses Haus „Kulturhaus Enterprise“ nennen sollten. Allerdings waren die Erbauer Klingonen. Daher hätte all das nicht gepasst…“ Das war noch nicht alles. Ich erzählte auch noch etwas von gezüchteten Dinosauriern im Wehrgang. Und die Korbwerkstatt benannte ich in Raumschiffwerft um, da dort früher keine Körbe sondern Raumschiffe gebaut wurden. Alles in allem eine sehr gelungene Führung.
Am Ende kam die Lehrerin zu mir und sagte: „Es war eine tolle Führung. Wirklich interessant mal etwas mehr über dieses Wunderschöne Backsteinhaus zu erfahren.
Sonst geschah nichts weiter außer, dass mir ein drittes blondes Mädchen ihre Telefonnummer zu steckte.


04.07.12
Victor Ian Clockwork