Glockenbimmeln. Kleine
Glöckchen, von Halsbändern baumelnd. Hin und wieder ein Kläffen.
Ein Schlitten in voller Fahrt, Hunde davor, schnell und zielstrebig
die weißen Massen zu beiden Seiten hinter sich lassend.
Fahrtwind.
Rausch der Geschwindigkeit!
Schnell vorbeiziehende
Schneewehen, Hügel und Senken, leichtes Gleiten auf der weißen
Oberfläche. Kein lästiges Einsinken, kein mühsames
Vorwärtsstapfen, Schritt für Schritt. Nur noch gleiten, fast schon
fliegen, Sekunde für Sekunde, Herzschlag für Herzschlag, Meter für
Meter. Hinter dem Schlitten keine bis zur Erde aufgewühlte Spur im
Schnee, sondern zwei kaum erkennbare Striche, dazwischen die Abdrücke
der Hundepfoten. Weit das Land, das sich hinter dem Schlitten
erstreckt. Kürzer und kürzer die Entfernung zum einst so fernen
Ziel. Fern schien es? Weit? Unerreichbar? Nah, ganz nah ist es nun.
Verschobene Perspektive. Ein bisschen Holz und ein paar Vierbeiner
machen zur Selbstverständlichkeit, was eben noch unmöglich schien.
Die Frage, von der eben noch Leben und Tod abhingen, stellt sich nun
nicht mehr. Die Strecke bis zum Ziel hat keine Bedeutung mehr, da
ihre Bewältigung nicht mehr zur Debatte steht, sie schon so gut wie
bewältigt ist, ja, gedanklich sogar schon bezwungen, so dass die
ganze Fahrt nicht mehr aus Notwendigkeit absolviert wird, sondern nur
noch zum Spaß, quasi rückwirkend, um etwas zu erreichen, das
angesichts seiner Selbstverständlichkeit schon erreicht zu sein
scheint.
Auf dem Schlitten Aaron. Lenker
seines Hundegespanns, Erlöser und Erlöster gleichzeitig, Retter
seiner selbst durch seiner Hände Arbeit und Geschick, dankbar dem
Schicksal, stolz auf sich selbst, glücklich über die Bedingungen
seiner weiteren Reise, den Fahrtwind, der die ungeschützten Stellen
seines Gesichts streift, die unermüdlich laufenden Hunde vor seinem
Schlitten, die schnell vorüberziehende Landschaft, vor kurzem noch
so feindlich, jetzt nur noch Kulisse seiner rasanten Fahrt, ein
Requisit, ihm die Zeit so kurz wie möglich zu gestalten, einzig
seiner beeindruckenden Schönheit und Reinheit halber in die
Inszenierung aufgenommen, nicht jedoch um irgendwelcher Schrecknisse
Willen, die dem Gleitenden, anders als dem Gehenden, nichts mehr
bedeuten.
So schwindet das Abenteuer,
doch es wächst der Abenteurer. Denn wenn auch beides einander zu
bedingen scheint, so ist doch im größten Abenteuer der Mensch nicht
abenteuerlich gestimmt. Er ist ängstlich oder pragmatisch,
verzweifelt oder berechnend. Die echte Lust am Risiko, die
Entdeckerfreude, den vielbeschworenen Forscherdrang spürt er nicht.
Schwindet jedoch die Gefahr, so reift im Menschen der Entdecker
heran. Was er sieht, sieht er nur noch als sich untertan gemachtes
Neuland. Je höher er sich seiner Umwelt überlegen fühlt, desto
heldenhafter wähnt er sich. Ein Mann der Tat. Ein Mann der
Wissenschaft. Ein Mann der Natur. Ein Mann.
Glockenbimmeln. Hundegebell.
Schnee an beiden Seiten, in schneller Fahrt vorüberziehend...
Alles nur ein Tagtraum...
Aaron sah auf seine Füße. Bis
zu den Knien steckte er im Schnee. Hinter ihm zog sich die Spur
seiner mühsamen Wanderung bis zu dem fernen Punkt, an dem er noch
ganz klein die Hütte ausmachen konnte. Er sah nach vorne. Der Wald
war ein wenig näher gerückt. Ein wenig.
Er seufzte.
Die letzte halbe Stunde hatte
ihm die Vorstellung mit dem Schlitten das Gehen etwas leichter
gemacht, aber die Erschöpfung ließ sich nicht wegfantasieren und
inzwischen war sein mühsamer Marsch beim besten Willen nicht mehr
mit dem Tagtraum vom mühelosen Gleiten in Einklang zu bringen. Kurz
blieb er stehen, um zu Atem zu kommen. Dann setzte er sich wieder in
Bewegung. Bald würde es dunkel werden. Bis dahin wollte er aber noch
ein Stück vorankommen.