MVJstories

MVJstories ist ein Blog, auf dem eine kleine Gruppe junger Schriftsteller Auszüge aus ihren Werken veröffentlicht. Feedback ist ausdrücklich erwünscht. Und nun viel Spaß beim lesen!

Sonntag, 29. März 2015

Letztes Gefecht

Die Schule aus, als Lohn seines Strebens
öffnet sich vor ihm der Rest seines Lebens
doch weil er vergebens der Pest eines Strebens
nach Anerkennung und Respekt gefolgt
bleibt sein Intellekt gewoll-
termaßen, weil ihn nicht gewollt
hat, wer ihn so beredt dann scholt,
ganz wie in ein Versteck gerollt

Doch die Zeit hilfloser Wut
auf den Anerkannten, der tut
als ob er so wertlos sei
ist vorbei

„Doch was nun?“ denkt er sich, eigentlich
weiß er nicht, was zu tun, wo er hin soll mit sich
Eine Ausbildung, klar,
er bewirbt sich ein paar
mal, kriegt Absagen en masse
ganz klar, schlechtes Karma
Er sieht wie die anderen hier triumphieren
und nach ein paar Jahr'n schon Abteilungen führen
sieht all die, die ihn stets in der Schule verlachten
jetzt auch noch die bess'ren Karieren machen
sieht sie Partner finden, Familien gründen
gemeinsam Probleme überwinden
Und er sieht sich selbst vorm Abgrund, vorm Nichts
Ohne Job, ohne Freunde, ohne Zukunft kaum mit Heute
Vom Leben gestraft, Ausschluss aus der Gemeinde
Ganz allein nur mit sich sieht er schließlich
diesen Aufruf, und es gibt ihm einen Stich
als er liest: „Rette mit uns die Menschheit, die Welt
ehe hier alles zusammenfällt
Denn die meisten Menschen folgen heute dem Bösen
hab'n sich falsch informiert, falsche Bücher gelesen
und sind deshalb jetzt ungläubig, gegen den Geist
der uns Gläubigen das Paradies verheißt
Drum kämpfe jetzt mit uns, zerstör die Verräter
die Gottbetrüger, Übeltäter!
Siehst du nicht, dass es falsch läuft in dieser Welt?
Die Verhältnisse sind auf den Kopf gestellt
Hilf uns bei unserm Kampf, komm und lass dich bekehr'n
und dann zieh in den Krieg, streite für unsern HERRN!“

Diese Botschaft, sie packt ihn, so kann man ihn erreichen
seine Feinde und deren sind doch eigentlich die Gleichen!
Ein HERR, der will, dass er gegen die, die ihn bloß-
gestellt haben, kämpft, ja der ist wahrhaftig groß!
Also nimmt er die Waffe und zieht in den Krieg
für den Gott, den es für ihn erst seit ein paar Tagen gibt.
Kein Freund, der ihn aufhält, die Familie fern
kriegt 'ne Nachricht per Facebook: „Tschüss, ich kämpf' für den HERRN!“
Voller Begeisterung tritt er sodann
seine gewaltige Reise an
Fremdes Land, fremde Leute, ziemlich sonderbare...
Was sie eint ist der Glaube, der einzig wahre!
Hier ist er Bruder vor dem HERRN
trotzdem denkt er, er wüsste doch gern
was die Wurzeln seines neuen Glaubens sind
was ihm denn wirklich Erlösung bringt
und fragt den einen seiner Kollegen
ob er die heilige Schrift ihm könn't geben
weil er noch nicht lange dabei gewesen...
Der lacht: „Die hab ich doch selbst nie gelesen
Tu einfach, was unser Anführer sagt
der holt sich direkt beim HERRN seinen Rat
Du solt'st nicht zum lesen zu uns fliegen
Nimm deine Waffe. Du sollst für uns siegen!“

So steht er dann wenige Wochen später
direkt an der Front, er weiß, dass ein jeder
der anderen später und jetzt immer wieder
für sie alle einsteht, ihm zittern die Glieder
doch Angst hat er keine, was ihn nun durchloht
ist des Eiferers Glaube. Treue bis in den Tod!
Er hört Bomben fallen, Panzer dröhnen
Raketen einschlagen, Menschen stöhnen
Er packt seine Waffe mit festem Griff
und stürmt vorwärts, den Ohrschmerz durch laute Geschütze
vergessend, denn er ist zu nichts nütze.
Ringsum versinkt alles in Staub und Geschrei.
Nur Schemen zu sehen. Er weiß nur, dabei
handelt es sich wahrscheinlich um Feinde,
denn er sieht, dass sie fliehen. Manche sitzen und knien
und beten, doch nicht wirklich zum HERRN, nicht zu IHM.
Diese Teufelsbrut hier, das weiß er genau
betet zu falschen Göttern, denn wenn sie den richtigen
hätten, dann wär'n sie ihm auch verpflichtet
und müssten seine Gebote achten
so wie seine Anführer sie überbrachten
Sie würden mit ihm kämpfen, nur für den rich-
tigen Herrn, trotzdem erschießt er sie nicht.
Denn irgendwo hinter dem Kriegsgewühl
verbirgt sich bei ihm etwas Mitgefühl
Als er sich jedoch gleich darauf umdreht
Hat schon ein and'rer sie niedergemäht.

Jetzt fliegen Granaten, dicht an dicht.
Was ihm nichts and'res übriglässt, als durch die licht-
arme rauchfinst're Landschaft zu kriechen und kurz
darauf findet er zwischen den Häusern Schutz.
Auch in den Straßen hängt dichter Rauch
er braucht etwas Luft, betritt ein Haus
atmet kurz ein und erstarrt.
Dort war-tet ein Mann.
Das Gewehr im An-
schlag, doch auch die Verzweiflung im Gesicht.
Jetzt drückt er ab, doch es tut sich nichts.
Ohne Waffe steht der Fremde nun vor ihm,
sinkt langsam auf die Knie
und beginnt, mit Worten, die er noch nie
gehört hat, zu bitten, eine fremde Sprache
doch die Tränen versteht er, das ist eine Sache
die ihn noch anzurühren vermag
Ganz kurz denkt er zurück an den Tag
an dem er das erste Mal das Opfer war
Ein Opfer der Worte, wie dieser da
ein Opfer der Taten werden wird
der Gedanke an Gnade kommt und irrt
ganz kurz durch sein Hirn, die Entscheidung ist knapp...
Dann drückt er ab.
Verteilt Blut, Gehirn und Knochensplitter
auf Boden und Wänden, wie ein Gewitter
dröhnt sein Gewehr, vor Verzweiflung lacht
er, doch plötzlich spürt er die Macht.

Dieses wilde Gefühl, dass Verzweiflung verdrängt
Angst und Bedenken mit Adrenalin überschwemmt
Was macht er denn eigentlich hier im Haus?
Voll Taten- und Blutdurst stürzt er hinaus
Ja, hier sind die Feinde, aus vollem Rohr
schenkt er Tod und Schmerz aus, wer ihm jetzt vor
die Mündung kommt, hat nichts mehr zu lachen
Er ist sich nicht sicher über Schlaf oder wachen
Er weiß nur, was er tut, tut er gern
denn es ist nicht sein Werk, s'ist das Werk des HERRN!
Egal ob Mann oder Frau, ob Greis oder Kind
gleich ob Elitesoldat oder taubstumm und blind
Sie sind alle nur Feinde, das ist alles, was zählt
Nicht willkommen in unserer Welt

Plötzlich, als er so durch die Straßen wütet,
hört er ein nahes Pfeifen,
bevor er aber begreifen
kann, woher es kommt,
hört und spürt er schon prompt
die Detonation
mit grässlichem Ton
wirbelt es ihn durch die Luft davon.

Der Aufprall ist hart, doch schlimmer noch
sind die Schmerzen an Brust, Hüfte und am Kopf
Er versucht, sich zu bewegen
Doch da er kaum noch am Leben
ist, muss er sich wieder hinlegen.

Endlich öffnet er wieder die Augen
Ein verschwommenes Bild, er kann es kaum glauben
Da steht jemand über ihn geneigt
Doch das ist ein Feind!
Wie kann das sein? Haben wir nicht gesiegt?
Was ist mit der Bestimmung? Ich weiß doch, es liegt
in unserem Auftrag, die Welt zu bekehren
und mit Waffen die Ungläubigen zu belehren
bis sie sich eines bess'ren besonnen
Warum hab'n wir dann nicht gewonnen?
Der feindliche Kämpfer grinst ihn an
„Sieh an, da hab'n wir ja einen Mann,
der noch überlebt hat. Du bist schon arm dran.
Kannst du aufsteh'n?“ Der Verletzte schüttelt den Kopf.
Der and're grinst breiter und öffnet den Knopf
einer Tasche, er zieht die Pistole heraus
und richtet sie langsam auf des Gläubigen Bauch
„So ein Pech. Tragen können wir dich leider nicht“
Und drückt ab und ihm wird es schwarz vorm Gesicht.

Im Tode die Schmerzen, keine hohe Gewalt
lässt ihn sanft entschweben, er merkt schon bald
dass es kalt wird und dunkel, das Leben scheint ferner
die Geräusche sind leiser, die Welt würd' er gern
jetzt erreichen, doch leider ist sie zu weit weg
er hat Angst zu sterben, doch es hat keinen Zweck
Er denkt an seine Mutter, wie lang ist es her
dass er sie in den Arm schloss, erst jetzt, hinterher
wird ihm klar, wie sehr sie ihn und er sie liebt
und dass es jetzt wohl keine Chance mehr gibt
ihr Lebwohl zu sagen, einen kleinen Trost
seine letzte Nachricht war ein Facebookpost
Und der Schmerz und die Angst verbinden sich
zu dem Schrecklichen Etwas, das ihm schließlich
klarmacht: Kriege sind nie gerecht
Egal ob welt- oder hei-li(g/ch)

Es war sein letztes Gefecht.