MVJstories

MVJstories ist ein Blog, auf dem eine kleine Gruppe junger Schriftsteller Auszüge aus ihren Werken veröffentlicht. Feedback ist ausdrücklich erwünscht. Und nun viel Spaß beim lesen!

Dienstag, 28. Juni 2016

Einen Monat arbeitslos

Arbeitslosigkeit ist auch im einundzwanzigsten Jahrhundert noch ein elementares Problem, welches nach Statistiken der Bundesagentur für Arbeit mehr als 2,6 Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Doch speziell um diesen Menschen zu helfen, gibt es die Bundesagentur für Arbeit. Sie dient als Ansprechpartner, Jobvermittler und Helfer in finanzieller Not.
Um diese Dienstleistung einmal genauer betrachten, und objektiv darüber berichten zu können, habe ich mich einmal für einen Monat Arbeitslos oder Arbeitssuchend gemeldet. Meine Erlebnisse könnt ihr im Folgenden erfahren.

Eine Arbeitslosmeldung stellt man sich oft ziemlich einfach vor: Man geht zur Bundesagentur für Arbeit, füllt ein paar Zettel aus, reicht diese ein und schon bekommt man Geld und den Kenntnissen entsprechende Jobangebote zugesandt.
Nun... Man geht zur Bundesagentur für Arbeit, soweit ist es richtig.

Doch nun alles der Reihenfolge nach: Man zieht zunächst eine Nummer, was keine Besonderheit ist, schließlich machen das viele so. Anschließend wartet man... und man wartet... und wartet... und wartet... und wartet...
Nach nicht weniger als einer Stunde, kam ich endlich an die Reihe und wurde weitergeschickt mit dem Satz: "Die Kollegen wissen Bescheid und werden Sie aufrufen."
"Ja Super," dachte ich mir "jetzt geht es endlich los." IRRTUM. Denn vor mir waren noch einmal 15 bis 20 andere Personen dran. Eine weitere Stunde später, war es dann endlich soweit und ich durfte die heiligen Hallen der Hoffnung betreten und mich arbeitslos melden.
Und dann? Wie komme ich denn nun an Geld? Ich hab schließlich ‘ne Wohnung zu bezahlen und Essen ist manchmal auch nicht so verkehrt.
Der Kollege bei der Bundesagentur für Arbeit konnte mir auch dabei weiter helfen und verwies mich auf eine andere Stelle, die quasi direkt gegenüber war. Aber erst am nächsten Tag erreichbar, da die Sprechzeiten für diesen bereits vorbei waren.
Ich ging also ganz gemütlich nach hause und bereitete meinen Antrag auf Hartz IV vor und sah mich plötzlich von Zetteln umringt, derer kaum ein Erdling Herr werden konnte. Mein Drucker Hustete und Schluckte ob der im Sekundentakt rein kommenden Aufträge doch er hielt Tapfer bis zum Schluss durch.
Für mich begann nun erst der eigentliche Spaß. Nach bestem Wissen und Gewissen beschrieb ich Tonnenweise Papier bis ich irgendwann nach Luft schnappend aus einem Papiermeer auftauchte und rief: „Wo ist dieser verflixte Passierschein A38?“
An mehr erinnere ich mich von diesem Tag nicht.
Am nächsten Tag warf ich alle Zettel egal ob beschrieben oder nicht auf einen eigens dafür gemieteten Kleintransporter und machte mich erneut auf den Weg.
Nachdem ich eine halbe Stunde suchend nach der Außenstelle, welche nirgends im Internet erwähnt wird und zu der mich eine schwammige von Handgeschriebene Notiz des Sachbearbeiters vom Vortag, lotsen sollte, verbracht hatte, war ich endlich am Ziel. Wieder meldete ich mich an und wartete. Ich wartete um Gesagt zu bekommen, dass ich mir die Arbeit des Ausfüllens hätte sparen können und ich ohnehin einen extra Termin benötigte um den Antrag auf Hartz IV abgeben zu können, mal ganz davon abgesehen ein Großteil der Zettel falsch war und ich ganz andere benötigte. Unter lautem seufzen warf ich alle Zettel einmal in die Luft, so dass sie wie ein sanfter Regen im ganzen Raum hernieder fielen. Als krönender Abschluss fiel der Passierschein A38 auf die Tastatur der freundlichen Dame, welche mir die richtigen Zettel mitgab und für mich einen Termin zur Abgabe vereinbarte.
Als letzte gute Tat verwies sie mich noch an einen Herrn W, welcher aufgrund eines nicht erschienenen Klienten auch sofort Zeit für mich hatte. Moment… Sofort? Nein, nichts passiert sofort. Also, Korrektur: […] welcher aufgrund eines nicht erschienenen Klienten nach nicht mehr als einer halben Stunde Zeit für mich hatte.
Während mir die Kollegen zuvor immer sehr freundlich entgegen traten, auf meinen Humor reagierten und sich stets bemühten mir weiter zu helfen, war dieser Herr W genau der Typ Mensch wie man ihn bei der Bundesagentur für Arbeit erwartete. Er war die Elite, der Frontmann, er war die Armee der Toten die man als letztes Ass bat für einen zu Kämpfen. Die Geheimwaffe um die Flüchtlingsquoten in Deutschland zu senken, denn jeder der mit ihm zu tun bekam, floh soweit er konnte. Man sagt er habe sogar mal Chuck Norris getötet*, er soll ihn einfach in Stücke geschrien haben. Ich dagegen war lediglich ein kleiner Abenteurer der einmal einen Pfeil ins Knie bekommen hatte und sich nun Arbeitslos melden wollte.
Schon als ich das Stampfen seiner Füße durch den Flur hallen hörte, wusste ich: Dieser Mann ist gefährlich. Um so überraschter war ich, als ich ihn sah. Er war zwar bestimmt einen Kopf größer als ich allerdings hätte man ihn ohne Probleme unter einer Brandschutztür durchschieben können.
Dieser Mann machte mir in einem beeindruckend einschüchternden Tonfall klar, dass ich nichts, rein GAR NICHTS(!!!) wert war. Er sagte mir, was ich (im nächsten Monat) durfte und was nicht und wenn es nicht gesagt würde, dann durfte ich es auch nicht.
„Staatlich geprüfter Sozialassistent? DANN SIND SIE ES JA GEWOHNT NICHT ZU DENKEN!“
„Ja, Sir!“
„DANN KÖNNEN SIE ALSO AUF DEM BAU ARBEITEN!“

Nun ja, was soll ich sagen? Mein Selbstwertgefühl hat diese Erfahrung zerstört, doch es bietet ein bisschen Stoff für Geschichten und hey: Immerhin hab ich ‘ne Woche Urlaub bekommen.



Mit freundlichsten Grüßen
Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, Kdnr. 101583419001


Auf meinem Grabstein soll stehen: „Er war nur einen Monat Arbeitslos.“





*Der Tod hat sich nur noch nicht getraut es ihm zu sagen.